Bürger
sind in Aufruhr, Panik macht sich breit. Das kann zwei Gründe
haben: Entweder sind die Benzinpreise erneut um 6 Pfennige
angestiegen, oder es wird wieder über eine neue
Umweltkatastrophe berichtet. Die Bürger setzen den Staat in
Zugzwang. Die Angst um die Natur hat heute den selben Stellenwert,
wie die Angst arbeitslos zu werden. Die Natur muß gerettet und
der Wohlstand gesichert werden. Die Umwelt soll zwar um jeden Preis,
aber doch möglichst günstig vor der vollkommenen Zerstörung
bewahrt werden. So macht uns auch die Industrie deutlich klar, daß
eine härtere umweltpolitische Richtung durch die amtierende
Bundesregierung Arbeitsplätze vernichtet und die Wirtschaft in
immense Schwierigkeiten bringt. Da gibt es eine ökologische
Steuerreform, die der Industrie gegenüber dem Einzelhaushalt
enorme Rabatte einräumt, einen Umweltschutzminister, der die
europäische Verordnung zur Altauto-Rücknahme im letzten
Moment kippt, und vieles mehr. Der Schritt zur sozialen ökologischen
Marktwirtschaft muß gewagt werden. Doch Maßnahmen, die
heute beschlossen werden, beschränken die Bürger in der
aktuellen Wahlperiode und könnten eine kommende Bundesregierung
die Früchte ernten lassen. Ein Grund, warum gerade Verordnungen
und Gesetze für den Umweltschutz erlassen werden, ist, daß
der Bürger direkt wahrnehmen kann, welcher Gefahr er demnächst
nicht mehr ausgesetzt ist. Andere, vielver-sprechendere
umweltökonomische Instrumente, wie z.B. die Zertifikatspolitik,
beschränken zum Zeitpunkt der Einführung den industriellen
Handlungsrahmen nur und sind in dieser Hinsicht auch für
Produktionseinbußen durch den Wegfall des bisher günstigsten
Produktionsprozesses aufgrund von Umweltbestimmungen verantwortlich.
Der Bürger wird sich bei den nächsten Wahlen daran
erinnern. Um sein Verständnis zu erhalten, muß der Staat
seine Umweltpolitik dem Bürger erklären können. Es
darf nicht mehr von Kosten für den Umweltschutz, es muß
viel eher von ermittelten Kosten aufgrund fehlenden Umweltschutzes
gesprochen werden. Der Natur muß ein Preis zugestanden werden,
der dem Bürger klar macht, wie sich die soziale Wohlfahrt der
Bundesrepublik Deutschland im Laufe eines Jahres insgesamt verändert
hat. Die Umweltgüter (Luft, Wasser, Boden) müssen hier die
ihnen zustehende Stellung erhalten. Mit Hinblick auf die
Steigerungsmöglichkeiten der sozialen Wohlfahrt sind auch die
umweltpolitischen Instrumente besser zu verdeutlichen. Der Bürger
muß verstehen, daß die Umwelt einen Preis hat. Er wird
dann auch in höherem Maße bereit sein, aufgrund von
Umweltkosten mit höheren Produktpreisen konfrontriert zu werden,
und bereitwilliger nötigen Konsumverzicht üben. Auf der
anderen Seite wird der Bürger durch politische Umweltaufklärung
darauf aufmerksam gemacht, daß das Kollektivgut Umwelt
gefährdet ist. Er wird mehr hinterfragen und Umweltaktivitäten
von Staat und Unternehmen mit Wohlwollen beobachten. In diesen Punkt
setzt das Öko-Audit der europäischen Union an, das, wie
seit Jahren in Japan praktiziert, besonders umweltfreundliche
Unternehmen der Öffentlichkeit bekannt machen will, um dadurch
dem Betrieb bessere Marktchancen einzuräumen. Ein anderer
Schritt in dieser Richtung ist, das umweltschonende Handeln dem
Verbraucher zu überlassen, indem ihm umweltschonende Produkte
vorgestellt werden. Er kann mit diesen Handlungsempfehlungen sein
ökologisches Gewissen beruhigen. Aufgrund diesen Gedankens
entwickelte die Bundesregierung 1977 das Umweltzeichen Blauer
Engel, welches den Bürger auf besonders umweltschonende
Produktalternativen hinweisen soll. Der Blaue Engel
bringt dem Verbraucher sichere, transparent gehaltene Informationen,
da er äußerst verständlich den Umweltnutzen mit der
Aussage Umweltzeichen, weil...erklärt.1
Dieses von Unternehmen und privaten Haushalten akzeptierte, weltweit
bekannteste Umweltzeichen kennen in Deutschland jedoch gerade mal 50%
der Bevölkerung. Der Staat hat ein funktionierendes freiwilliges
Marktinstrument geschaffen, scheint aber kaum Wert auf eine
Steigerung seiner Handlungsmöglichkeiten zu legen. So muß
er auch gerade von der zeichennutzenden Industrie herbe Kritik
gegenüber dem Blauen Engel entgegen nehmen. Man
bemängelt, daß für den Blauen Engel die
staatliche Informationspolitik sehr zurückhaltend ist.2
Aufgrund der hohen Marktakzeptanz eines mit Umweltzeichen
akkreditierten umweltschonenden Produktes entwickelte die Industrie
ihre eigenen Ökolabel, die Produkten den Zusatznutzen Umwelt
zusprechen sollen. Es entstanden Ökolabel, die von Verbänden
und Industrie aufgrund unterschiedlichster Richtlinien vergeben
wurden. Der Verbraucher verlor den Marktüberblick und konnte den
umweltschonenden Produkten nicht mehr den ihnen zustehenden
Zusatznutzen Umwelt zuordnen. Politische
Handlungsalternativen, die über die bestehende Gesetzgebung
hinausgingen (UWG), waren gefordert, um dieser Labelflut entgegen zu
treten. Die EG-Öko-Verord-nung wurde 1991 für den
ökologischen Landbau verabschiedet, und von der SPD wird seit
1996 ein Label gefordert, das entweder bundes- oder auch europaweite
Gültigkeit besitzt. Im ökologischen Landbau wurde die
Labelflut stark eingeschränkt, da selbst Umweltschonung
assozierende Begriffe wie öko oder bio
auf einmal für den ökologischen Landbau geschützt
waren. Leider wartet man in anderen Bereichen wie z.B. der
Textilindustrie, wo diese Produktlabel als grüne Piraten
bezeichnet werden, noch immer auf eine solche Grundsteinlegung. Statt
dessen entwickelt man als europäische Wirtschaftsvereinigung ein
weiteres Umweltzeichen, welches wegen seiner fehlenden Unabhängigkeit
nicht die Möglichkeit hat wirkliche umweltschonende
Anforderungen zu erfüllen. Beim deutschen Umweltzeichen sehen
diese Grundvoraussetzungen bei weitem positiver aus. Das
Entscheidungsgremium, die Jury Umweltzeichen, und jene Stelle, die
das Zertifikat gegen Gebühr erteilt, das Deutsche Institut für
Gütesicherung und Kennzeichnung, arbeiten von einander
getrennt,3
wodurch auch kein Interessenkonflikt zwischen Zeichenbewilligern und
Abgabenverwaltung entstehen kann. Außerdem kommt die Frage auf,
warum nicht das Umweltzeichen generell als europäisches Ökolabel
übernommen wird. Schließlich war es schon vor 1977 ein
weltweit gültiges Umweltemblem. Bundesweit stellt sich der
Blaue Engel einigen selbsternannten Begrenzungen. So will
es nicht auf ökologischen Teilmärkten fungieren, die
bereits für den Verbraucher transparent gehaltene
Umweltinformationen über Produkte beinhalten. Das beste Beispiel
hierfür ist der Biomarkt. Auf diesem Markt hat sich die AGÖL
für den ökologischen Landbau stark gemacht, und durch die
EG-Öko-Verordnung von Trittbrettfahrern bereinigt. So wurde ein
klar definierter Markt umweltschonender Produkte und
unterschiedlicher Qualitätsstufen mit entworfen. Ein staatliches
Ökolabel kann in diesen Rahmen nur schwer integriert werden, vor
allem, wo es geschafft wurde, in diesem Jahr, das einheitliche
deutsche Öko-Prüfzeichen ins Leben zu rufen. Positive
staatliche Aktivitäten wurden von den Bundesländern
Sachsen, Bayern und Thüringen entwickelt. Da gerade auch die
regionale Herkunft von Bioprodukten wichtig ist, forderten sie mit
entsprechenden Zeicheninitiativen und unter Zusammenarbeit der
hiesigen AGÖL Mitgliedsverbände den dortigen ökologischen
Landbau. Der regional gehaltene ökologische Landbau wird gerade
in Deutschland besonders förderungswürdig sein. Hier ist
ein Miteinander zwischen Staat und Verbänden mehr gefragt, als
das gegenseitige konkurrieren durch unterschiedliche Ökolabel.
Man muß bedenken, daß manch glaubwürdiges
Umweltzeichen durch viele Jahre Verbandsarbeit, bei der IFOAM waren
es zehn Jahre, entstanden ist. Der Staat hat sein eigenes
Umweltzeichen 1977 entwickelt. Ein förderungswürdiges
Marktinstrument, das gerade da seinen Einsatz findet, wo kein
ökologischer Teilmarkt mit der entsprechenden Möglichkeit
zur Kennzeichnung ökologischer Produkte gegeben ist. Auf
Teilmärkten, wo sich ökologische Marktmöglichkeiten
entwickelt haben, sind Gesetze zu begrüßen, die den
umweltbewußten Verbraucher wie auch ökologisch
ausgerichtete Unternehmen vor Trittbrettfahrern schützen, die
den Verbraucher verunsichern und bei wirklich umweltschonenden
Produkten zu Kaufzurückhaltung führen können, da diese
nicht mehr differenziert zu anderen Produkten gesehen werden können.
Sowohl die EU, als auch die deutsche Gesetzgebung sollten sich weiter
damit beschäftigen europaweit einheitliche Kriterien aufzubauen,
die dem Wildwuchs z.B. auf dem Naturtextilienmarkt entgegen wirken
können.4
Allgemein ist dem Bürger deutlich zu machen, was die Umwelt wert
ist. Er sollte zu dem Gedanken befähigt werden, die sozialen
Kosten mit einzukalkulieren, um eventuell bei elektrischen
Dosenöffnern und Wegwerfkameras auch mal Konsumverzicht walten
zu lassen. Das ökologische Produkt darf auch nicht als
Konsumlösung des Umweltschutzes hochgehalten werden, da es immer
nur die Fähigkeit besitzen wird, die Umwelt weniger als
vergleichbare Produkte zu belasten. Allgemein sollte die
Standardisierung des Informationsangebotes weiter vorangetrieben
werden. Wirtschaftsgemeinschaften, wie z.B. die Europäische
Union, sind dazu nicht geeignet, da die gemeinsamen wirtschaftlichen
Interessen vor den Interessen des Verbraucherschutzes stehen. Dem
europäischen Konsensprinzip folgend, orientieren sich die
Anforderungen weniger am ökologischen, als vielmehr an den
Möglichkeiten der einzelnen Mitgliedsstaaten, die gesetzten
Akkreditierungsbestimmungen erfüllen zu können.5
So kommt mit der Euro-Margerite ein sehr weiches Ökolabel auf
den Markt, das die bestehende Verunsicherung beim Verbraucher nur
weiter ansteigen lassen kann.6
Jedes eingeführte staatliche Umweltzeichen muß politische
Unabhängigkeit erhalten, durch Vertreter der unterschiedlichsten
Lobbies glaubwürdig sein und dem Verbraucher ein Umwelt-, wie
auch ein Garantieversprechen geben können, das diesem einen
transparent gehaltenen Umwelt- und Produktnutzen deutlich macht. In
dieser Hinsicht wäre zum einen die Einführung von
Produktbilanzen, zum anderen eine engere Zusammenarbeit mit
Verbänden, wie die Stiftung Warentest zu empfehlen. Ein eigenes
EU-Umweltzeichen, das im Einigungsprozeß aller europäischer
Länder so weit zurecht gestutzt wird, daß es für alle
Mitgliedsstaaten annehmbar ist,7
wird den Verbraucher nur weiter irritieren. Nicht das Interesse der
Mitgliedsstaaten, sondern der Wunsch des Konsumenten, die Umwelt und
auch seine Gesundheit zu schützen, muß durch besondere
gesetzliche Rahmenrichtlinien unterstützt und gefördert
werden.8
Sollte dieser grundlegende Konsens mit der EU gefunden werden, kann
auch über die weitere Verbreitung des europäischen
Umweltzeichen, in Form einer Margerite, nachgedacht werden. Obwohl
das weltweit erfolgreichste Umweltzeichen zur freien Verfügung
für alle UN-Mitgliedsstaaten steht.9
Schließlich reden alle von Globalisierung.
1Vgl. Umweltbundesamt (1997): Umweltzeichen Richtlinien 1991, S. 1.
2Vgl. Wendorf, Gabriele (1994): Umweltzeichen im Spannungsfeld zwischen Konsumenten und Unternehmen, S. 146.
3Vgl. natur (11/1998): Was der Blaue Engel dem Käufer bringt, S. 22.
4Vgl. bioFach Nr. 16 (1998): Ob glasklar draufsteht, was drin ist?, S. 33.
5Vgl. Verbraucher Rundschau (9/1994): Warenkennzeichnung - alles klar?, S. 12.
6Vgl. Öko-Test (5/1994): TEST Prüfsiegel, S. 50.
7Vgl. Öko-Test Nr. 5 (1994): Test Prüfsiegel, S. 50.
8Vgl. Carlton, W. D.; Perloff, J. M. (1996): Law and Economies oft the Environment, S. 180.