1. Marktversagen der neoklassischen Umweltökonomie

Alles ist möglich! Ist alles möglich?Wir haben in der Volkswirtschaft zwischen der neoklassischen Markttheorie, der freien Marktwirtschaft der westlichen Welt, und der keynesianischen Markttheorie, der Planwirtschaft des früheren Ostblocks, zu unterscheiden. Daraus hat sich die neoklassische Umweltökonomie entwickelt. Sie beschäftigt sich mit der Wechselwirkung von freier Marktwirtschaft und Umwelt.


Abbildung 1: Marktschema

Abbildung 2: Wirkung einer Pigou-Steuer

Abbildung 3: Lenkungsfunktion der Pigou-Steuer


1. Marktversagen der neoklassischen Umweltökonomie

Die neoklassische Umweltökonomie sieht mit der sie leitenden Wohlfahrtstheorie und dem Pareto-Optimum als Handlungsziel im Preis- und Marktmechanismus das wirksamste Instrument ihrer Zielverwirklichung.1 Nach dieser Theorie findet das wirtschaftliche Geschehen nur über Märkte statt, auf denen Nachfrager und Anbieter allein über den Preis ihre Konsum- und Produktionspläne realisieren (siehe Abbildung



Abbildung 1: Marktschema


1).2 Die Nachfragefunktion beschreibt das Verhalten der Nachfrager im Hinblick auf die Nachfragemenge x in Bezug zum Preis p des Gutes.3 Die Angebotsfunktion beschreibt das Verhalten der Anbieter in Bezug auf das mengenmäßige Angebot x bei wechselnder Höhe des auf dem Markt zu erzielenden Preises p.4 Der Schnittpunkt von Angebots- und Nachfragefunktion stellt beim Gleichgewichtspreis p* und der Gleichgewichtsmenge x* eine Gleichgewichtslage dar.5 Externe Effekte, d.h. die Beeinflussung der Nutzen- bzw. Gewinnsituation, welche der Betreiber einer Aktivität bei Dritten verursacht,6 werden über den Marktmechanimus nicht berücksichtigt. Das daraus resultierende Umweltproblem ist aus Sicht der neoklassischen Umweltökonomie durch die Verletzung des marktwirtschaftlichen Prinzips der Eigenverantwortung entstanden, indem es dem Verursacher des Problems gelungen ist, sich seiner Verantwortung zu entziehen und dem Geschädigten allein die jeweiligen Umweltkosten aufbürdet.7 Der Ökonom Arthur C. Pigou untersuchte diese externen Effekte und zeigte die dadurch entstandenen Defizite der Preisbildung und Kostenzurechnung auf.8 Externe Effekte, die durch zivilisatorische Aktivitäten gegenüber Dritten auftreten, führen zu Wohlfahrtsgewinnen oder Wohlfahrtsverlusten, die zwar einen Marktwert haben, aber schwer in Beziehung zu einem Geldmaßstab gesetzt werden können.9 Beim Kauf eines Neuwagens z.B. werden sich Kunde und Händler über ihre privaten Grenzkosten und Grenzerlöse einig, die externen Kosten Dritter in Form von Lärm, Abgasen, Landschaftszerstörung durch Straßenbau usw. bleiben jedoch unberücksichtigt.10 Die daraus resultierende Folge ist eine allein einzelbetrieblich gesehene pareto-optimale Faktorkombination.11 Das Pareto-Optimum beschreibt eine optimale Allokation unter vollständiger Konkurrenz bei gleichzeitiger Nutzenmaximierung aller Konsumenten.12 Durch diese einzelbetriebliche Sichtweise wird die optimale gesellschaftliche Wohlfahrt, die im Wettbewerb zwischen Konsumanspruch und Umweltqualität steht, durch die Nichtberücksichtigung von externen Kosten verfehlt.13 Der Kollektivgutcharakter von Umweltgütern verhindert es, daß den Konsumenten eine Knappheit angezeigt werden kann.14 Es entsteht trotz vorgegebener Nutzenmaximierung eine Fehlallokation der knappen Naturgüter.15 Die Folge ist ein Marktversagen, da der knappe Produktionsfaktor Umwelt verschleudert und nicht so eingesetzt wird, wie es seinem zu ermittelnden Wert entspricht.16 Öffentliche Güter bleiben ohne Preis wertlos, wodurch bei der Produktion oder Schonung betriebswirtschaftliche Kosten anfallen, die keinen marktwirtschaftlichen Gegenwert besitzen.17 Aus diesem Grunde benötigt die Umwelt die Marktfunktion des Preises, um nach ihrer Knappheit bewertet werden zu können.18 Die entstehenden externen Kosten können durch diesen Preis dem Verursacher angelastet werden. Mittels der Internalisierung externer Effekte19 werden seine Grenzkosten entsprechend erhöht, so daß es zu einer ökologisch effizienten Allokation kommt. Die neoklassische Theorie spricht sich dafür aus, daß man durch staatliches Handeln das Marktversagen korrigieren soll, um sich einer gesellschaftlich effizienten und optimalen Allokation knapper Ressourcen zu nähern.20 Um ein volkswirtschaftliches Optimum bzw. die Maximierung des Sozialproduktes zu erreichen ist nach A. C. Pigou die Divergenz zwischen privaten und sozialen Kosten durch staatliche Eingriffe, z.B. einer staatlichen Steuer, in das Wirtschaftsgeschehen zu beseitigen (siehe Abbildung 2).21 Die Einführung einer solchen Steuer bzw. Abgabe



Abbildung 2: Wirkung einer Pigou-Steuer22


senkt die Angebotsmenge von x* nach x**, da die ursprüngliche Angebotskurve sich in Höhe der Pigou-Steuer parallel nach oben verschiebt, wodurch der Preis p* auf p** steigt. Die neue Angebotskurve schneidet die Nachfragekurve aufgrund der Ausgleichsfunktion der Pigou-Steuer in dem Punkt, wo die soziale Grenzkostenkurve (SGK) auf beide trifft,23 da sich die Höhe des Steuersatzes aus der Differenz von privaten und volkswirtschaftlichen Grenzkosten (soziale Grenzkosten) ergibt.24 Ein einzelunternehmerischer Vergleich zwischen diesen sozialen Grenzkosten und den Grenzvermeidungskosten bringen den Emittenten dazu, ein pareto-optimales Umweltniveau anzustreben, bei dem die Grenzkosten der Vermeidung (GVK) gerade so hoch sind, wie die externen Grenzkosten (Gkext) bzw. Grenzschäden.25 Abbildung 3 verdeutlicht diese Lenkungsfunktion einer Pigou-Steuer (t0), durch die das Verhalten



Abbildung 3: Lenkungsfunktion der Pigou-Steuer26


eines Produzenten in die gewünschte allokations-optimale Richtung gelenkt wird. So ist es rechts von der Emissionsmenge E0 für den Emittenten günstiger seine Emissionen bis auf E0 zu senken. 27 Abgaben sparende innovative Umweltschutztechniken können sich so frühzeitiger durchsetzen.28 Dagegen ist es links von E0 für das Unternehmen günstiger, die Abgabe zu zahlen, statt teure Umweltschutzmaßnahmen oder Produktionseinschränkungen in Kauf zu nehmen.29 In der Praxis besteht ein schwerwiegendes Informationsproblem, da die Unternehmen ihre Grenzvermeidungskosten berechnen können, um kosteneffiziente Umweltmaßnahmen zu ergreifen, die staatliche Instanz aber den Verlauf der Grenzkosten der Geschädigten (GKext) weder kennen noch hinreichend genau abschätzen kann. So dient das Pigou-Konzept nur der Aufgabe, sich einem staatlichen Abgabesatz zu nähern, mit dem ein gegebenes umweltpolitisches Ziel möglichst kosteneffizient erreicht werden kann.30 Ein weiteres generelles Problem umweltökonomischer Instrumente ist die Umweltpolitik selber, die aufgrund ihrer Berücksichtigung verschiedenster Bürgerinteressen nur mit allgemeinen Kompromißlösungen zwischen Umwelt- und Wirtschaftsinteressen aufwarten kann.31 Beim Sommersmog hat die Umweltpolitik einen Kompromiß zwischen Gesundheitsschäden und freier Fahrt in den Städten gesucht und gefunden.32 Die marktwirtschaftliche Steuerung durch umweltpolitische Instrumente stößt an ihre Grenzen, wo der Staat sich gegen die Lobby der Industrie, aber auch der privaten Haushalte richtet. Statt einer simulierten Marktlösung durch die staatliche Internalisierung externer Effekte sollte zunächst einmal ein ökologischer Rahmen entwickelt werden, der den sozialen Rahmen um die Marktwirtschaft ergänzt.33 Ein wichtiger Schritt hierfür wäre die Einführung von Umweltgütern (Wasser, Boden, Luft) in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR).34 Die Problematik externer Effekte macht es notwendig, eine VGR aufzustellen, die das Gut „Umwelt“ so beinhaltet, daß der Einsatz von Ressourcen für diese Kollektivgüter nicht weiterhin allein als produktivitätsmindernd und preissteigernd wirkt.35 Die Europäische Kommission hat sich dementsprechend 1993 für die Notwendigkeit einer Revision des Bruttosozialproduktes (BSP) ausgesprochen, um, wie der Bundesrat 1995 sagte, den Wert natürlicher Umweltressourcen für die Erzeugung des derzeitigen und zukünftigen Einkommens widerzuspiegeln und Umweltverluste und -schäden auf der Basis monetärer Werte zu berücksichtigen.36 Das volkswirtschaftliche Optimum wird dort erreicht, wo die Gesamtheit der sozialen Grenzkosten gleich ihrem daraus entstehenden sozialen Grenznutzen ist. Um diese Rechnung aufgehen zu lassen, muß auch die Umwelt mit einbezogen werden. Benötigt wird die Erweiterung einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR), die durch den Einbezug des Naturverbrauchs ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) ermittelt, welches in der Gesamtmenge der in einem Jahr erzeugten Güter eines Landes, inklusive Umweltgüter, mündet,37 um ein realistisches Bild der Wirtschafts- und Umweltleistung dieses Landes zu erhalten. Schwierigkeiten wird es beim Finden der geeigneten Umweltparameter geben, die eine annähernd realistische Bewertung der Umweltschäden und der verbrauchten natürlichen Ressourcen gewährleisten,38 da jeder Eingriff in das natürliche System destabilisierende Prozesse auslösen kann, die in ihrem Umfang weder voraussehbar noch korrigierbar sind.39 Seit 1989 beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe des Statistischen Bundesamtes mit dem Aufbau einer umweltökonomischen Gesamtrechnung.40 Die Auflistung volkswirtschaftlich relevanter Umweltkosten ist ein wichtiger Schritt zur Bestärkung von Werten, die eine umweltschonende Orientierung auf Angebots- wie Nachfrageseite fördern, um einen umweltbewußten nachhaltigen Konsum in Deutschland zu gewährleisten.41 Der Staat könnte die Notwendigkeit des Einsatz seines reichhaltigen umweltpolitischen Instrumentariums42 anhand von Umweltzahlen belegen, und so auch eher Verständnis bei den Marktteilnehmern dafür erreichen. Auf Grundlage dieses Verständnisses würde sich eine Ausweitung des suasorischen Instrumentariums aus Öko-Audit und staatlichem Umweltzeichen anbieten. Mit der Frage, ob sich eine Ausweitung des suasorischen Instrumentariums, vor allem in Richtung Umweltzeichen, zum Erreichen eines volkswirtschaftlichen Optimums anbietet, beschäftigen sich die weiteren Ausführungen. Die Arbeit beschreibt die Gründe für das Marktversagen der neoklassischen Theorie und erläutert, warum die bestehenden umweltpolitischen Instrumente als Primärziel nur die Kostendeckung erreichen können, und in wie weit das suasorische Instrumentarium, vor allem im Hinblick auf verbraucherbezogene Kennzeichnungen, eine sinnvolle Ergänzung darstellen kann. Zu diesem Zweck werden die bestehenden Ökomärkte dargestellt. Abschließend wird der Frage nachgegangen, ob es sinnvoll ist, die allgemein bestehenden Ökolabel, ob nun empirisch gewachsene und bewährte Umweltzeichen oder unternehmenseigene Umweltzeichen, durch ein staatliches Ökolabel zu ergänzen bzw. zu ersetzen.

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1Vgl. Stengel, M.; Wüstner, K. (1997): Umweltökonomie, S. 17.

2Vgl. Bruns, H. (1995): Neoklassische Umweltökonomie auf Abwegen, S. 24-25.

3Vgl. Fehl, U.; Oberender, P. (1994): Grundlagen der Mikroökonomie, S. 7.

4Vgl. Fehl, U.; Oberender, P. (1994): Grundlagen der Mikroökonomie, S. 10.

5Vgl. Fehl, U.; Oberender, P. (1994): Grundlagen der Mikroökonomie, S. 12.

6Vgl. Endres, A. (1994): Internalisierung externer Effekte, Ke. 1, S. 19.

7Vgl. Stengel, M.; Wüstner, K. (1997): Umweltökonomie, S. 17-18.

8Vgl. Maier-Rigaud, G. (1997): Schritte zur ökologischen Marktwirtschaft, S. 85.

9Vgl. Jaeger, F. (1993): Natur und Wirtschaft, S. 28-29.

10Vgl. Altmann, J. (1997): Umweltpolitik, S. 78.

11Vgl. Jaeger, F. (1993): Natur und Wirtschaft, S. 27-28.

12Vgl. Hennings, K. H. (1981): Grundzüge der Geschichte der ökonomischen Theorie, Ke. 2, S. 93-94.

13Vgl. Eisenberg, W.; Vogelsang, K. (1997): Nachhaltigkeit leben, S. 14.

14Vgl. Sandhövel, A. (1994): Marktorientierte Instrumente der Umweltpolitik, S. 114.

15Vgl. Schramm, M. (1994): Der Geldwert der Schöpfung, S. 224.

16Vgl. Altmann, J. (1997): Umweltpolitik, S. 75.

17Vgl. El-Shagi, E.-S.; Knappe, E.; Milde, H. (1991): Umweltpolitik in der Marktwirtschaft, S. 20.

18Vgl. Fehl, U.; Oberender, P. (1994): Grundlagen der Mikroökonomie, S. 33-35.

19Vgl. Endres, A. (1994): Internalisierung externer Effekte, Ke. 1, S. 27.

20Vgl. Hennings, K. H. (1982): Grundzüge der Geschichte der ökonomischen Theorie, Ke. 3, S. 26-27.

21Vgl. Endres, A. (1976): Die pareto-optimale Internalisierung externer Effekte, S. 121.

22Vgl. Endres, A. (1994): Internalisierung externer Effekte, Ke. 2, S. 47.

23Vgl. Bruns, Hermann (1995): Neoklassische Umweltökonomie auf Irrwegen, S. 64.

24Vgl. Schramm, M. (1994): Der Geldwert der Schöpfung, S. 226-227.

25Vgl. Bruns, Hermann (1995): Neoklassische Umweltökonomie auf Irrwegen, S. 68.

26Vgl. Pätzold, J.; Mussel, G. (1996): Umweltpolitik, S. 43.

27Vgl. Pätzold, J.; Mussel, G. (1996): Umweltpolitik, S. 42.

28Vgl. Möller, H.-W. (1993): Umweltschutz in der sozialen Marktwirtschaft, S. 94.

29Vgl. Pätzold, J.; Mussel, G. (1996): Umweltpolitik, S. 43.

30Vgl. Pätzold, J.; Mussel, G. (1996): Umweltpolitik, S. 44.

31Vgl. Wilhelm, S. (1994): Umweltpolitik, S. 50-52.

32Vgl. Wilhelm, S. (1994): Umweltpolitik, S. 16.

33Vgl. El-Shagi, E.-S.; Knappe, E.; Müller-Hagedorn, L. (1991): Umweltpolitik in der Marktwirtschaft, S. 22.

34Vgl. Ludolph, F.-J. (1998): Umweltökonomie, S. 52.

35Vgl. Maier-Rigaud, G. (1997): Schritte zur ökologischen Marktwirtschaft, S. 43.

36Vgl. Feser, H.-D. (1997): Neuere Entwicklungen in der Umweltökonomie und -politik, S. 214.

37Vgl. Ludolph, F.-J. (1998): Umweltökonomie, S. 52.

38Vgl. Stiftung Entwicklung und Frieden (1997): Globale Trends 1998, S. 50.

39Maier-Rigaud, G. (1997): Schritte zur ökologischen Marktwirtschaft, S. 22-23.

40Vgl. Feser, H.-D.; von Hauff, M. (1997): Neuere Entwicklungen in der Umweltökonomie und -Politik, S. 215.

41Vgl. Umweltbundesamt (1994): Das Umweltverhalten der Verbraucher, S. 3.

42Vgl. Weis, S. (1996): Öffentliche Finanzwirtschaft I, Ke. 2, S. 11.